Jahresrückblick 2024
Liebe Genossinnen, liebe Genossen und Freunde.
2024 war ein schwieriges Jahr. ‚Die Linke‘ hatte drei Wahlen zu bestreiten und das in kürzester Zeit. Begonnen mit der Europawahl, bei der ‚Die Linke‘ mit 2,7 % ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren hat. Wer jedoch denkt, dass die europäische Ebene sowieso keine Rolle für die hiesige politische Landschaft spielt, der irrt. Denn ich kann aus Erfahrung sagen, dass politische Diskurse, Prozesse und wesentliche Entscheidungen in Europa in Gang gesetzt werden. Zeitgleich mit der Europawahl fand die Kommunalwahl statt, die für jeden Kreis- oder Stadtverband einer jeden Partei eine Herausforderung war. Die jüngsten Meldungen hinsichtlich eines möglichen Blackouts der öffentlichen Verwaltungen sind nicht unbegründet, wie euch jede Kommunalpolitikerin und jeder Kommunalpolitiker bestätigen kann. Aber auch auf Parteien hat das massive Auswirkungen bei der Kandidatenfindung. Unterm Strich kommt es gegenwärtig zu einer Erosion des Parteiengefüges, bei der neue Parteien auftreten, sich weiterentwickeln, neue Zusammenschlüsse eingehen oder wieder gänzlich neue Bewegungen gegründet werden. Eine Entwicklung, die wir auf europäischer Ebene seit Jahren erleben, vor allem bei progressiven Parteien.
Im September kam dann die katastrophale Landtagswahl in Sachsen. ‚Die Linke‘ Sachsen ist erstmals unter 5 % gefallen und nur durch die zwei Direktmandate im Landtag. Die Personaldecke wurde ausgedünnt und zurückgeblieben ist ein Portfolio zwischen Anfang und Ende. Festhalten lässt sich zudem, dass ‚Die Linke‘ zwischen 2019–2024 bei der Kompetenzzustimmung der sozialen Gerechtigkeit von 27 % auf 9 % gefallen ist (siehe Grafik). Die Wahlergebnisse der letzten Jahre liegen zwischen 4,5 % (2024) und 20,6 % (2004). Im Ausgangsjahr 1990 noch bei 10 % (damals noch als PDS).
Und nun steht die Bundestagswahl an.
Ein Rollback zur alten PDS wird es nicht mehr geben, eine Fokussierung auf (vermeintliche) Wahlhochburgen wie Leipzig und Dresden wird ‚Die Linke‘ aber langfristig nicht retten. Ganz im Gegenteil, eine Fokussierung auf städtische Räume wäre fatal, auch wenn ich die Argumentation teilweise nachvollziehen kann. Dennoch geht es um ein Lebensgefühl, um eine Perspektive. Warum die Simme (Simson) bei der Jugend auf dem Dorf so abgeht? Weil wir dieses Lebensgefühl an unsere Kinder weitergegeben haben. Auch ich konnte bereits mit 10 Jahren Traktor und mit 12 Jahren Simme fahren. Und das ist nur ein Beispiel von so vielen. Es geht um Biografien, um die Erfahrungen der Nachwendejahre verbunden mit einer bis heute währenden Existenzangst, welche durch die Massenarbeitslosigkeit der 90er ausgelöst wurde und die auch wir bei unseren Eltern gesehen haben. Es geht um die Versprechungen des „Goldenen Westens“, die dazu führten, dass 1,4 Millionen Menschen den Osten verlassen haben. Es geht um Verzichtserfahrungen bei so vielen – auch im Mantra des Billiglohnlandes Sachsen. Es geht für mich persönlich um die Erfahrungen mit einer rechten Jugendkultur und dem Kampf um soziale und alternative Projekte. Es geht mit Verlaub um eine CDU, die uns gehasst hat und wir sie. Und nun passieren politische Prozesse, die natürlich auch Fragen aufwerfen. Es gibt Menschen, die die CDU wählen trotz anderer Einstellungen mit dem Ziel, die AfD zu verhindern. Daran sehe ich, dass ‚Die Linke‘ mehr als ein Problem hat. Doch wenn wir es als Partei nicht schaffen, den Fokus zwischen Stadt und Land, zwischen einer doch auch linken konservativen Wählerschaft und einer neuen progressiven Bewegung, zwischen Verantwortung und Rebellion zu vereinen, werden wir in diesem Parteiengefüge zerrieben und zerreiben uns gegenseitig. Denn eine linke Partei ohne eine interne politische Kultur auf Augenhöhe wird niemals authentisch nach außen sein. In diesem Sinne ist es nicht zu spät, aber auch höchste Zeit für eine neue linke Souveränität. Und es gibt Signale insbesondere auf Bundesebene, die mir Hoffnung geben. In diesem Sinne …“Warten wir den Montag ab.“
Marika Tändler Walenta